Industriegeschichte

Im ehemaligen Ratssaal im Erdgeschoss ist die Ausstellung Industriegeschichte untergebracht. Es handelt sich dabei hauptsächlich um das Industriegelände am „Ochsenbruch“, das in Folge von mehreren Firmen genutzt wurde.
Den Beginn machte Max Walbinger, der im Jahre 1916 eine Munitionsfabrik gründete, welche der erste industrielle Großbetrieb Ober-Ramstadts wurde. 200 Beschäftigte, meist Frauen, fertigten Zünder für Sprenggranaten. Nach dem Ende des Krieges verlegte sich Walbinger erfolglos auf die Herstellung von Jagdmunition und Schreibmaschinen. In dieser Phase übernahm die Firma Falcon, die in Sontheim bei Heilbronn begonnen hatte Autos zu bauen, die Fabrik in Ober-Ramstadt. Ab 1922 fertigte dieses Unternehmen den Kleinwagen Falcon CA 6 der, wie das 1924 vorgestellte Schwestermodell TYP T VI den Ruf hatte, ein zuverlässiges Automobil zu sein. Allerdings machten Inflation und ausländische Konkurrenz den Falcon Werken das Leben schwer. 1926 musste das Werk, wie damals viele deutsche Autohersteller, die Produktion einstellen.
Neuer Eigentümer wurde die, von dem genialen Automobilkonstrukteur Hans Gustav Röhr gegründete, „Röhr Auto AG“. Ab 1927 begann die Produktion des Röhr 8, dem ersten deutschen Auto mit Einzelradaufhängung, Tiefbettkastenrahmen und Zahnstangenlenkung. Autoausstellungen in Berlin, Paris und Genf machten den Röhr 8 zu einem Begriff in der Automobilwelt der damaligen Zeit. In der Werbung wurde dieser Wagen wegen seiner fortschrittlichen Bauweise als „Sicherster Wagen der Welt“ bezeichnetet. 1930 ergriff die Weltwirtschaftskrise auch die Röhr-Werke, doch konnte die Produktion mit neuen Geldgebern weitergeführt werden. Ohne Hans Gustav Röhr an der Spitze, stellten die „Neuen Röhr Werke“ noch die Modelle Typ F und Typ FK, sowie „Junior“ vor, für die Konstrukteure wie Ferdinand Porsche und Hans Ledwinka verantwortlich waren. Nach 4000 gebauten Autos setzte die „Arisierung“ der Nationalsozialisten der von jüdischen Geldgebern getragenen Firma 1935 ein Ende. 1937 übernahm die Firma MIAG das Gelände, um Kräne, Transportkarren und Gabelstabler zu fertigen. Nach dem 2.Weltkrieg beschlagnahmte die US-Army das Werk. 1953 gab die MIAG, der nur begrenzte Räumlichkeiten geblieben waren, den Standort Ober-Ramstadt auf. Im amerikanischen Tire Depot wurden Reifen runderneuert und später auch Gummistollen an Panzerketten und die Gummiarmierung der Laufräder der Panzer erneuert. Zu Beginn der 1970er Jahre wurde das Werk aus der Verantwortung der US-Armee genommen und an die „MIP-Instandsetzungsbetriebe“ übergeben. Mit der Wiedervereinigung Deutschlands 1989/90 und der Auflösung zahlreicher Kasernen gingen die Aufträge stark zurück und das Werk in Ober-Ramstadt schloss 1993 seine Pforten.
Im Ausstellungsraum sind drei einmalige Fahrzeuge zu sehen: ein HAG Baujahr 1925 (einer Darmstädter Automobilfabrik), ein Röhr 8 Typ RA Sportcabriolet Baujahr 1931 und einen Röhr Junior mit Sonderkarosserie Baujahr 1937.